Gedanken aus dem Exil – mit Thomas Hayo und Colin Farrell (!!)

Behutsam puste ich den Staub von der Tastatur meines Laptops, der leise, beinahe fröhlich, gequietscht hat, als ich ihn aufklappte. Lange, so lange habe ich keinen Blogeintrag mehr auf ihm getippt. Stattdessen habe ich mich in die Wälder Brandenburgs zurückgezogen und mit Tieren gelebt. Monate, in denen ich kein einziges Mal meine Augenbrauen zupfen musste und mich ausschließlich von gepökelten Baumrinden und getrocknetem Moos ernährt habe. Es war so schön.

Nein, das war natürlich gelogen. In der Realität liege ich in irgendeinem elektrolythaltigen Sud, Stromschläge lassen meine Gliedmaßen zucken und nur der stetig nachsickernde Schaum vor meinem Mund gibt Zeugnis davon, dass ich noch am Leben bin. „Herzlich willkommen im vierten Semester, Sucker!“ steht auf einem schlecht bedruckten Spruchband über meiner sargähnlichen Kabine und ich frage mich, warum es nicht vom deutschen Staat gesetzlich festgelegt werden kann, dass jeder Mensch ohne das kleinste Bisschen an ästhetischem Empfinden zumindest Helvetica verwenden muss.

Auch das stimmt nicht, aber wir nähern uns der Wahrheit. Mein Studium frisst mich auf und der Stress fängt an, mich zu verändern. Ich liege lieber stundenlang im Bett und starre bewegungslos und ohne zu Blinzeln die Wand an, als am Wochenende durch die Clubs zu ziehen. Ich trinke morgens Earl Grey und grünen Tee, während ich unter Herzrhythmusstörungen panisch meine Mails checke und hoffe, dass niemand etwas von mir möchte. Ich besitze jetzt ein Handrührgerät.

Aus werbetechnischen Gründen hier ein Einschub: zwei wunderschöne Frauen und ich spielen hart besoffen Videospiele – die Sendung. „Wein und Wummen“ macht Peniswitze und ist im allgemeinen das investigativste und tiefschürfendste seit Kai Diekmanns letzter Darmspülung. Guckt es euch HIER an!

So viel zu den guten Nachrichten. Im Folgenden will ich euch stichpunktartig erläutern, was in den kommenden Monaten nicht passieren wird:

  1. Ich werde entgegen aller Gerüchte nicht mit Colin Farrell auf eine Pferde- und Alpaca-Ranch ziehen, nachdem wir in Kartoffelbrei (mit Stückchen) geheiratet haben. Wir haben uns einvernehmlich getrennt, nachdem er meine Liebe leider nicht erwidern konnte und mit der Kugel im Bein hätte er die Felder sowieso nicht bestellen können.
  2. Thomas Hayo hat sich bisher noch nicht dazu bereiterklärt, bei einer von mir geschriebenen Sendung über sein Leben mitzuwirken, in der er ausschließlich über sich selbst in der dritten Person spricht und auch seine Bauchbinden-Texte selbst schreibt.
  3. Ich werde nicht bei der diesjährigen Splash-Lesebühne wahnsinnig intime und interessante Dinge breittreten, weil ich viel lieber in der Uni hocken und Projekte präsentieren möchte. Sollte die Situation eskalieren und mehrere Tote fordern: das Spiel „Oblivion“ aus der Elder Scrolls Reihe ist schuld und sollte dementsprechend umgehend verboten werden.

Danke für die Aufmerksamkeit.

stop breaking my heart, videospiele!

Ich wusste, der Moment würde kommen. Ich dachte nur, ich hätte noch mehr Zeit, mich emotional darauf vorzubereiten.  Wir sind doch noch so jung, Vaas! Wir sind doch noch so jung. Was ist gestern geschehen, werdet ihr euch fragen (Ich stelle mir vor, wie ihr dabei Kekse esst und immer, wenn euch der Mund fassungslos ein bisschen weiter offen stehen bleibt, sprüht ihr beim Ausatmen Krümel auf eure Plastik-Vintagehemden von Primark) und ich werde es euch nun mitteilen. Mit angemessener Dramatik.

Ich habe die vergangenen Wochen/Monate damit verbracht, „Far Cry 3“ zu spielen. Ja, ist schon seit Ende letzten Jahres raus und ihr habt es schon alle durch, aber ihr seid auch 14, habt kein Leben und müsst in Einzelfällen wahrscheinlich noch nicht mal eure Laken selbst wechseln, ihr alten Bettnässer. Ich habe also freie ungestörte Stunde mit meinem Controller im Bett verbracht (Playstation-Love is true Love) und die letzten tausend nicht erlebten Karibikurlaube meines Lebens kompensiert. Hirsche mit Pfeilen erlegen, in Unterwasser-Grotten tauchen, mit einem Gleiter gegeben Gebirgsmassive fliegen, lauschige Stunden am Strand mit meiner AK-47 verbringen und Granaten auf Bären werfen. Es war wundervoll und ich habe es geliebt. Ab und an habe ich dann auch eine der Hauptmissionen gemacht, in denen ich als unsympathischer Collegeboy Jason Brody mit Hollywoodfreundin (sie heißt Liza, kann nicht mit Schaltung fahren, will in unangebrachten Situationen über ihre Exfreunde reden und ruft einen an, während man C4-Ladungen an Lastwagen befestigt) meine gekidnappten Freunde retten muss.

Während man sich anfangs noch denkt, dass diesbezügliche Rache an den Menschenhändler-Piraten vielleicht nicht unangebracht ist. Nach mehreren Spielstunden kann ich aber ganz klar sagen: Ich hasse jedes einzelne dieser amerikanischen Richkids und würde sie mit Freuden und ohne jegliche moralische Bedenken wahlweise Abknallen oder als Keller-Sexsklaven an bärtige Exilaustralier verkaufen – das denke ich mir nicht aus, das kam exakt so im Spiel vor. Dementsprechend hohe Sympathiewerte hat bei mir der Nebenantagonist Vaas, der mir vielleicht nur deshalb nicht so verrückt vorkommt wie er wirken soll, weil ich aus psychologischer Sicht selbst ziemlich abgefuckt bin und außerdem eine Schwäche für Männer mit Suchtproblem habe. Nach knapp der Hälfte aller Hauptmissionen soll man dann genau diese Person, angestachelt von dessen Hurenschwester, die für die grenzdebilen Inselbewohner so eine Art Göttin ist, umbringen und an dieser Stelle möchte ich sagen: NEIN UBISOFT, DAS WILL ICH NICHT!

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Es reicht mir im Allgemeinen, dass in quasi allen Videospielen die ich wirklich mag, früher oder später der Punkt kommt, an dem die Charaktere sterben, die mir sympathisch sind. (Denkt euch an dieser Stelle eine Spoiler-Warnung)

Aktuellstes Beispiel außer dem hier genannten ist die „Mass Effect“-Reihe. Durch eine Vielzahl an abgefuckten Drecksentscheidungen, die ich anscheinend unbewusst gefällt habe, sind mir nach und nach nahezu alle meiner Lieblings-Teammitglieder weggestorben. Dafür gab es dann in Teil 3 ein Wiedersehen mit u.a. Motz-Jacob, der mit mir nie über Privates reden wollte, dessen neue Flamme ich aber direkt mal aus den Klauen einer terroristischen Organisation befreien darf, nur um dann mitgeteilt zu bekommen dass sie schwanger ist. Für solche Leute möchte ich die Galaxie nicht retten!

Weniger ärgerlich, dafür psychisch tiefschürfender war mein unfassbarer Erfolg beim Spielen von „Heavy Rain“. Die vier spielbaren Personen können nach und nach wegsterben, die Story kommt allerdings trotzdem zum Schluss. In Anbetracht der Tatsache, wie virtuos ich es geschafft habe, wirklich JEDEN bis auf den Mörder umzubringen, hätte ich eigentlich ein Zusatz-Achievement verdient gehabt.

Zu diesem Zeitpunkt war ich innerlich aber schon ziemlich abgestumpft, schließlich hatte mich das Ableben von John Marston in „Red Dead Redemption“ emotional bereits komplett zerstört. Wütend bin ich danach mit seinem Sohn, dessen Stimme klingt als hätte man ihm die Nase mit dem Lebenswerk von Stefanie Meyer gebrochen, durch die Lande geritten, habe ihn gerächt und ich schäme mich nicht an dieser Stelle zuzugeben, dass ich dabei Tränen in den Augen hatte.

Zurück zu „Far Cry 3“. Ich habe gedacht, ich würde es schaffen. Ich möchte das Spiel ja auch wirklich weiterspielen, vor allem, weil man am Schluss die Möglichkeit eines Endes gegeben ist, bei dem Jason Brody (ICH HASSE DICH, JASON BRODY!) stirbt. Ich hatte es sogar schon bis ins Piratenlager geschafft, in dem es so viel Graffiti gibt, dass Damion Davis mit Tränen in den Augen über seinen „A.C.A.B.“-Pulli streicheln würde. Aber dann konnte ich es einfach nicht tun – und wurde von einem Tiger angesprungen. Ein Zeichen, dass es einfach nicht passieren soll, dachte ich mir und habe die Playstation ausgemacht.

(P.S.: Ich mache jetzt erst mal mit „Dead Space 3“ weiter und warte darauf, dass der Schmerz nachlässt.)

(P.P.S.: Warum trägt Inselbewohner-Dennis, der einen noch öfter anruft als die eigene Freundin, eigentlich immer diese alberne Nerd-Brille? Er sieht blöd damit aus.)

T-Shirts, Tristesse und schlechte Alliterationen

Manche Dinge sollte man einfach mal machen. Zum Beispiel nach Jahren den alten Laptop aus dem Schrank ziehen und gucken, was da eigentlich alles so drauf ist. Neben der zutiefst verstörenden Erkenntnis, dass man sich damals anscheinend als Intimausschlags-Cosplayer auf die Straße gewagt hat (vielleicht löscht ihr eure alten Bilderordner auch einfach direkt, ohne auf die wahnsinnige Idee zu kommen einen Blick reinwerfen zu müssen), findet man manchmal aber auch längst verschollen geglaubte Kleinode wieder.

Es begab sich vor einigen Jahren, dass ich Vollzeit damit beschäftigt war, Texte zu schreiben. Wir saßen im Erdgeschoss und über uns wurden urbane Klamotten vertrieben, die Sentino Tränen der Andacht in die Augen getrieben hätten. Weil wir als Redakteure beim Füllen der Website natürlich nie genug zu tun hatten und unsere ausgedehnte Freizeit mit Dingen wie Nahrung zu sich nehmen oder in regelmäßigen Abständen die Toilette aufsuchen rumzukriegen versuchten, stieg eines Tages die Hoffnung auf ein besseres, produktiveres Leben aus dem ersten Stock herab. Mit einem Karton voller Marken-T-Shirts.

„Habt ihr Zeit? Könnt ihr da heute ein bisschen was für unseren Shop drüber schreiben?“, fragte die Lichtgestalt, die uns aus unserer Tristesse befreien wollte und mit glänzenden Augen willigten wir ein. Diese Produktbeschreibungsaufzeichnungen, zumindest die von mir, habe ich nun wiedergefunden und möchte sie an dieser Stelle mit euch teilen.

„Man denkt an England, man denkt an die königliche Familie und Camilla Parker-Bowles, man denkt an dieses Shirt. Mit nahezu royal anmutendem Print in Verbindung mit geschmackvollen Stickereien und trotzdem nicht aufdringlich präsentiert sich dieses Kleidungsstück aus 100 Prozent Baumwolle. Hip Hop und zugleich Queen Mum – was will man mehr?“

„Es ist schwierig geworden, heutzutage noch aufzufallen, hiermit schafft man es trotzdem. Die sowohl neonfarbene als auch expressionistische Graffiti-Optik dieses 100 Prozent Baumwolle-Shirts kann nur in’s Auge stechen. Weiterer Vorteil des knalligen Prints: ihr werdet, wenn ihr nachts die Straße überquert, nicht angefahren.“

„Die Bronx, irgendwann als Hip Hop noch lebte. Also, so richtig lebte. Ihr hört die sich nähernden Polizeisirenen, doch trotzdem macht ihr euer Tag noch souverän zu Ende, bevor ihr Bruce Willis-like von dannen rennt. Denn ihr seid cool. Zu diesem Feeling gibt es jetzt das passende Shirt mit fabelhaftem Aufdruck, das, man glaubt es kaum, auch noch aus 100 Prozent Baumwolle besteht. Es ist Graffiti, es ist Bronx und ihr könnt es auch sein!“

„Um die Spannung gleich rauszunehmen: dieses Shirt besteht wie nahezu alle hochwertigen ****-Produkte aus 100 Prozent Baumwolle. Der sich über die Brust erstreckende Aufdruck samt aufgenähten Lettern schmeichelt durch die harmonische Farbwahl aus Weiß, Gold, Silber und Grau dem Auge des geneigten Betrachters, doch es gibt noch mehr zu entdecken. So zum Beispiel dekorative Nähte und der verstärkte Nackenbereich. Für die ganz Harten unter euch.“

„Man denkt an langbeinige Schönheiten, Champagner und Pferde, wenn man dieses exorbitant geschmackvolle Polo-Hemd aus hundertprozentiger Baumwolle trägt. Braun und Weiß, eine der wohl zeitlosesten Farbkombinationen, gehen hier eine harmonische Verbindung ein mit großflächig aufgenähten Buchstaben, welche das Wort „Ecko“ bilden, samt bronzenen Nieten. Damit schleppt man auch Chiara Ohoven ab.“

„Als Rotgold, ja, beinahe Messing-haft möchte man den großzügig über die gesamte Front verteilten Schrift-Print bezeichnen. Von weitem wirkt dies nahezu arabesk, in jedem Fall sieht es nach Bling Bling aus und ist somit Hip Hop. Aufmerksamkeit der besonderen Art wird auch mit diesem 100 Prozent Baumwoll-Shirt dann zuteil, wenn ihr euch direkt in die Sonne stellt. Blinded by the light – probiert es aus!“

„Mädchen tragen Shirts mit Einhörnern, Jungs welche mit… Na? Richtig, Nashörnern und nackten Frauen. Ja, das passt fabelhaft zusammen, zumindest auf diesem Erzeugnis aus hundert Prozent Baumwolle. Der wertige Print in Lila, Grau, Hellblau und hellem Orange ist in jedem Fall ein Hingucker der besonderen Art. Titten, Tiere und der ****- Schriftzug: geil.“

„Diese Jacke mit beeindruckender Aufnähung ist schwer. Sehr schwer. Man könnte sich vorstellen, dass die Mafia ihre Schuldner in Zukunft mit diesem Hoodie in den Fluss wirft. Fifty Cent wäre mit dieser Oberbekleidung noch bullet proofer als sowieso schon. 100 Prozent Baumwolle, nur etwas für ganze Männer.“

Frauen, die auf Männer in Windeln starren

Mit letzter Kraft tippe ich diese Worte. Schleppend kriechen meine Finger von Taste zu Taste. Mir wird kalt. Ich huste. Mein Haar wirkt splissig. Doch ich muss mich mitteilen, denn große Dinge sind geschehen. Dinge, wie man sie sonst nur in Fancy Fetischblogs vom Vice Magazine präsentiert bekommt.

Es war schätzungsweise halb Neun Uhr morgens, die zauberhafte, sehr jung und frisch aussehende N. und ich waren mittlerweile am hysterisch-aufgekratzten Punkt chronischer Übermüdung angekommen und obwohl es kurz zur Debatte stand, mit abblätterndem Lidschatten und damenhafter Suff-Fahne brunchen zu gehen, entschieden wir uns doch für den Weg nach Hause. Mit der S-Bahn. Der Abend hatte sich, ihr werdet es an der bereits erwähnten Uhrzeit errraten haben, sehr lange hingezogen und beinhaltete neben zwischenmenschlichen Diffamierungen (Et tu, Christian? ET TU?) unter anderem eine hitzige Diskussion mit einem irischen Touristen über die Penisgröße von Colin Farrell, die ich souverän mit dem mehrfach getätigten Ausruf „I saw his sextape!!“ für mich entschied.

Wir hatten also bereits an der Prenzlauer Allee mit diesem Tag und vielleicht auch mit unserem Leben im Allgemeinen abgeschlossen und starrten mit glasigen Augen aus den dreckigen S-Bahn-Fenstern, als Unfassbares geschah. Ich weiß nicht ob ihr das kennt, dass man bei fortschreitender Müdigkeit manchmal nicht sicher ist, ob man sich Dinge einbildet oder sie wirklich passieren. Als also ein Mann Mitte Dreißig, Anfang Vierzig in meinem Blickfeld auftauchte der einen Schnuller trug, war ich kurz unsicher ob ich jetzt komplett wahnsinnig werde.

(kurzer Einwurf: ich setze heute sehr willkürlich Kommas, denn mein Körper stellt gerade nach und nach sämtliche Vitalfunktionen ein, während ich mich etwas hetze, um diesen Text rechtzeitig zu „Schwer verliebt“ fertig zu kriegen.)

Als wir erneut unauffällig in seine Richtung starrten, war der Schnuller spurlos verschwunden, der hochgewachsene WAHNSINNIGE (hier greife ich etwas vor) beschloss allerdings, sich auf die Sitzbank neben uns zu setzen. Es kam zu ungefähr folgender Konversation:

 

Gruseligertyp: „Habt ihr das schon mal gesehen? Also jemanden, der öffentlich Windeln trägt?“

(ungläubiges Starren meinerseits. Ich entdecke über dem Jeansbund den Rand einer pinken Windel mit irgendeinem bunten Kindermuster drauf.)

N.: „Also… Ähm. Nein.“

Gruseligertyp: „Meine Herrin hat mir das befohlen. Ich muss sie den ganzen Tag tragen.“

(meine Mundwinkel zucken unkontrolliert.)

N. (bewundernswert gefasst):  „Es fällt wirklich nicht so auf. Es könnte auch eine… lustige Unterhose sein.“

(ich starre mit weitaufgerissenen Augen aus dem Fenster.)

(allgemeines Schweigen. Wir müssen an der nächsten Station raus.)

Gruseligertyp: „Könntet ihr mich vielleicht was befehlen? Zum Beispiel, dass ich mir in die Windel pissen muss?“

Ich: „BITTE?“

(jetzt zuckt es auch in N.s Gesicht deutlich)

Gruseligertyp: „Einfach befehlen, dass ich in die Hose machen muss oder so.“

N. und ich verneinen und verlassen die Bahn. Erst beim Bäcker, der die trockenste Pide der Welt verkauft das ungenutzte Machtpotential der vergangenen Situation erkennend. Er hätte uns bei Media Markt Bügeleisen kaufen können. Wir hätten auf seinem Rücken nach Hause reiten können. Es wäre ein großer Spaß gewesen. Innerlich zerrissen lag ich anschließend im Bett und bin aus Ärger über die verkannte Situation fast mutwillig an bröseligem Schafskäse erstickt. VIELLEICHT NÄCHSTES WOCHENENDE!

Katzenminze – das Koks der Sozialphobiker

Wir waren vergangenen Sonntag auf einer Katzenschau. Ich schreibe bewusst „Schau“, denn die deutsche Sprache ist wunderschön und betont an dieser Stelle die tiefgreifende Dramatik des Dargebotenen. Eigentlich wollten wir zu mehreren Personen hin, je näher der Termin rückte, umso mehr reduzierte sich das Unternehmen auf den harten Katzenverachter-Kern. N. und mich.

Die Ausgangslage war die Folgende: Sonntagmittag. Unfassbarster Schneesturm seit Ewigkeiten. Minus Fünftausend Grad. Hart restalkoholisiert. Die Gewissheit, nachdem man mit dem REGIONALEXPRESS in Rangsdorf angekommen ist, noch 1,9 Kilometer durch die geschlossene Schneedecke bis zum Hotel Seebad Casino (…) stapfen zu müssen. An dieser Stelle erwähne ich es noch mal: Es hat sehr stark geschneit. Warum wir das alles auf uns genommen haben, wenn wir Katzen doch so wahnsinnig scheiße finden? Tja. Manche Dinge hasst man so sehr, dass man auch wieder anfängt sie zu lieben. Zum Beispiel schlechte Groschenromane, in denen Ärzte ihre Schwägerin für die Arzthelferin verlassen, die ständig mit bebender Brust irgendwo steht und errötet.

Wir waren also dementsprechend euphorisch, als wir uns Meter um Meter mehr von der Zivilisation entfernten – ein garstiger Beobachter würde vielleicht behaupten, wir haben hysterisch gelacht und dabei geweint, weil wir unsere letzten Hirnzellen wenige Stunden zuvor an der Bar unseres Vertrauens gegen Bier getauscht hatten. Irgendwann im „Casino“, ich glaube so wird es unter Rangsdorf-Kennern wissend genannt, angekommen, wurden wir dann wie wahre Katzenprinzessinnen unentgeldlich an der Kasse durchgewinkt und betraten die heiligen Hallen.

Es roch nach nassem Fell, ungewaschenen Sozialphobikern und Katzenscheiße. Menschen bürsteten motzige Perserkatzen. Russen und Franzosen teilten sich Plätzchen neben Katzenminze-Beuteln. Mitvierzigerinnen mit irren Augen schlugen ihren Tieren manisch Stäbe mit Flußen an der Spitze ins Gesicht – ein Ritual, was bei den Jurybewertungen wiederholt wurde und anscheinend elementar wichtig für die Qualitätseinordnung einer Rassekatze ist. In einem Satz: Es war wundervoll.

Auf dem Heimweg, und man möge es nicht glauben, der Schneefall hatte sich noch verstärkt, waren wir dann deutlich weniger euphorisch. Vielleicht, weil der Alkohol mittlerweile vollständig aus unserem Blutkreislauf verschwunden war, eventuell lag es aber auch an dem Typ, der mit uns im Abteil saß und dessen riesige Schusswaffe locker lässig aus seiner Jackentasche ragte. Bestimmt war es ein sehr leger angezogener Polizist im Dienst. Bestimmt. Wer noch mehr beeindruckende Bilder von der Schau sehen möchte, die anscheinend vom Katzenverein CRYSTAL PALACE CATS ausgerichtet wurde, der klicke HIER und labe sich an den wunderschönen Fotos der zauberhaften N.

Mass Effect und warum Lionel Richie ein kranker Soziopath ist

Ich liebe Mass Effect. Des Weiteren beginne ich Blogeinträge gerne mit kurzen Sätzen, weil ich mir damit irgendwie schnittig und aufregend vorkomme und da ein guter Zauberer nie seine Tricks verrät, wäre ich neben all den vielen anderen Dingen, die mich zu einem ultimativen Versager machen, zusätzlich auch noch ein sehr schlechter David Copperfield. Was vielleicht nicht schlimm ist, denn wenn ich im erweiterten Zirkusumfeld jemals irgendetwas sein wollte, dann einer von diesen krassen Tierdompteuren, die im eleganten Zweireiher durch Reihen aus fauchenden Wildkatzen und schnaubenden, ausschlagenden Hengsten flanieren und dabei so unbewegt wirken, als würden sie gerade nach einem durchsoffenen Wochenende die Pfandflaschen wegbringen. Nur eleganter.

Was ich als Kind außerdem auch immer werden wollte ist Astronaut und ich glaube, dafür muss ich meinen Vater verantwortlich machen. Neben der Tatsache, dass er mich von Kindesbeinen an auf Motorsport, Reinhold Messner-Gedächtnisfilme, Loriot und James Bond getrimmt hat, habe ich außerdem eins zu eins seine Begeisterung für alles, was den Weltraum betrifft, übernommen.  Und nach all den Jahren, in denen ich einerseits gerne mit ihm die neuen Star Wars Filme im Kino geguckt habe (ich gehe mit meinem Vater im Allgemeinen sehr gerne ins Kino. Wenn wir auch sonst die ein oder andere Meinungsverschiedenheit haben mögen, treffen wir uns dann doch meistens bei Filmen), andererseits für uralt Science Fiction-Serien, die er sich nach Jahren der sepiafarben Erinnerungsschübe auf DVD besorgt hat, eher weniger Begeisterung aufbringen konnte, habe ich nun etwas weltraumaffines gefunden, mit dem ER wohl  eher weniger anfangen kann. Eine Videospieleserie, die ihr alle schon tausendmal durchgespielt habt, auf die ich aber erst jetzt gekommen bin, weil mir neue Sachen immer zu teuer sind und ich deshalb alles mindestens zwei Jahre zu spät spiele.

(Vollkommen unsinnig habe ich den Spannungsbogen ins geradezu Groteske überreizt. Im Endeffekt wurde alles im Eingangssatz verraten.)

Mass Effect sollte ursprünglich mein Ritalin für den von BioWare erzwungenen (JA! Ganz recht! Blutend liege ich zu euren Füßen darnieder und fordere den dritten Teil!) Dragon Age Entzug sein. Und was soll ich sagen: überrascht ob meiner Fähigkeit für derart aufblühende Gefühle muss ich verkünden, dass ich verliebt bin. Colin Farrell, du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, aber du trägst einfach keinen Raumanzug der Normandy. Sorry.

Was so toll ist? Neben einem komplexen, durchdachten Spieleuniversum (haha. Universum. Halt echt.), super Dialogen, Charakteren und ordentlich Rumschießerei? Man kann mit fast jedem lebenden Organismus auf dem Raumschiff Sex haben. Und fühlt sich absurderweise selbst bei jeder Nebenbei-Affäre dazu gezwungen, sich moralisch korrekt zu verhalten. Eine Sache, die ich in meinem Privatleben so nie gebacken kriege. Während ich also Planeten scanne, Crewmitglieder verführe und den gesamten Orbit rette, verlottert meine Wohnung zusehends, der Kühlschrank bleibt leer und teilweise kommt es sogar vor, dass ich eine komplette Woche lang den selben Nagellack trage. Einerseits wäre es also durchaus wünschenswert, dass ich die Mass Effect-Trilogie endlich durchhabe, andererseits fürchte ich mich schon jetzt vor der bodenlosen Leere, die mich nach Beendigung dieses Meilensteins der spielbaren Cyper Opera aufsagen wird.

Ach ja: Ist euch eigentlich mal aufgefallen, wie zynisch und böse es ist, dass Lionel Richie eine BLINDE „Is it me you’re looking for?“ fragt?

Wollt ihr die totale Verzweiflung?

Neben spontanen, dramaturgisch perfekt aufgebauten Wutausbrüchen und U-Bahn-Verkaufsgesprächen über Nagellack habe ich nun noch eine dritte Sache gefunden, die ich wahnsinnig gut kann. Einsame Seelen zusammen führen. Allerdings nur, wenn ich selbst nicht dazugehöre. Folgende Situation.

Eine gute, ich möchte an dieser Stelle anmerken: auch sehr schöne Freundin (das wird nachher noch wichtig) und ich hatten uns selbst die Aufgabe gestellt, in diesem Winter zwingend und unter allen Umständen eine Beziehung zu führen. Da mir eine genaue Monatsdefinierung vom Begriff „Winter“ fehlt, habe ich es bisher eigentlich ganz gut geschafft mir selbst vorzulügen, dass wir uns einfach in einem sehr kalten Herbst befinden und wäre unter Umständen vielleicht sogar in der Lage, diese Illusion bis Weihnachten aufrecht zu erhalten. Der allgemeinen Verzweiflung tut das natürlich keinen Abbruch und wenn ich von Verzweiflung spreche, dann bin sind wir über den Punkt der leichten Überreiztheit bei Männergeschichten anderer bei weitem hinaus. Wann immer eine Freundin eine Geschichte mit „Und dann habe ich mich gestern mit Jürgen/Dieter/diesemkrasslustigenundsympathischenmilliardärssohn getroffen“ beginnt, hält mich nur die Tatsache, dass ich beim Weinen krass beschissen aussehe, von herzzereissendem Aufschluchzen ab.

Ich mag zwar lächerlich oberflächlich sein, bin aber mittlerweile an einem Punkt in meinem Leben, an dem der Auserwählte nicht mehr zwingend aussehen muss wie Colin Farrell und auch Suchtprobleme sowie eine komplett abgefuckte Psyche nur noch optional sind (Ihr seid nicht medikamentös eingestellt? Sorry. Kein Interesse). Es kommt mittlerweile also durchaus zu der Situation, dass ich bei etwaigen Abendveranstaltungen auf Männer treffe, mit denen ich mir tendenziell vorstellen könnte, nackt in meiner Wohnung Playstation zu spielen. Ziehen wir davon die 99 Prozent ab, die sich in einer Beziehung befinden, bleibt immer noch ein Prozent tendenziell beziehungsbarer (das Wort gibt es, richtig?) Männer in Berlin.

Heute früh zum Beispiel, ich denke es war gegen 6 Uhr morgens, hatte ich tatsächlich jemanden erspäht. Er befand sich in einer Gruppe von drei Männern, wir waren drei Frauen und man hätte sich vielleicht irgendwie cool unterhalten können. Außerdem sah ich aus wie eine komplett geisteskranke Meth-Version von Cleopatra, war über und über mit goldenem Glitzerstaub bestreut und seien wir ehrlich: Selbst Stephen Hawking wäre vor mir in die Knie gegangen. Ich zwinge dem Testosteron-Konglomerat also ein Gespräch auf und folgende Dinge ereignen sich:

Typ 1, mit dem albernsten Namen der Welt und angestrengt wildem Haar, erzählt irgendetwas, dem ich mich nicht in der Lage sehe zu folgen, weil ich seinen vermeintlich attraktiven Kumpel anstarre, der hinter ihm sitzt. Währenddessen unterhält sich Freundin 1 (ich erwähnte sie bereits zu Beginn) fantastisch mit Typ 3, Typ 2 ist der VERMEINTLICH Attraktive und durch die mehrfache Erwähnung dieses Wortes schüre ich eure Erwartungen, was wohl noch so Unerwartetes geschehen mag. Sie verstehen sich tatsächlich so gut, dass erste Wetten dahingehend abgeschlossen werden, wann sie mit dem Rumknutschen anfangen. Mittlerweile fängt auch Typ 2 an zu reden und… Ok, folgendes. Es gibt einfach Leute, die ausschließlich dann ein schönes Gesicht haben, wenn ihr Mund geschlossen ist. Ich persönlich glaube, dass auch ich dazugehöre, allerdings sage ich zumindest nicht Dinge wie „Boah, ey, 2Pac ist der Beste. Ganz klar.“. Komplett ernüchtert und zunehmend verzweifelt, wende ich mich daraufhin wieder Freundin 1 zu, während Freundin 2 sich mit Erenian unterhält. Ich glaube das war der absurde Name. Oder Enreas.

Die emotionale Situation zwischen Freundin 1 und Typ 3 spitzt sich zu, innige Blicke werden ausgetauscht und wäre ich Sebastian die Krabbe und das Leben ein Disney Film, würde ich um die beiden herumschleichen und „Küss sie doch!“ singen. Weinend. Während ich in den Atempausen auf meinen Haarspitzen rumkaue und manisch blinzle. Der mit Augenbrauenstift aufgemalte Penis, mit Glitzerkleber-Ejakulat, den ich künstlerisch versiert auf ihren Oberarm gekritzelt habe, macht die Situation nur noch intimer. Das ist einfach Liebe.

Ich habe es also geschafft, durch ein aufgezwungenes Gespräch, das nur zum Ziel hatte, sich Tupac-Thorsten klarzumachen, die einzige Person zu verkuppeln, die meine Leidensgenossin in diesem kalten, bitteren Winter werden sollte. Wie sehr mein Unterbewusstsein mir meinen Selbsthass vor Augen zu führen versucht, ist mittlerweile weit über den Punkt der absoluten Lächerlichkeit hinaus. Ich spiele jetzt Mass Effect 2 weiter. UND AUCH DA HABE ICH ES BISHER NICHT GESCHAFFT, IRGENDEIN CREWMITGLIED KLAR ZU MACHEN.

Wütende Kleinwüchsige in Aspik. Mit Senf.

Ich glaube es ist die Hölle, mit mir in einem Vortragsteam zu sein. Es reicht nicht, dass ich Dinge immer erst auf den letzten Drücker machen kann und  trotzdem alles genau so haben will, wie ich mir das gedacht habe (Gruppenarbeit ist für schwache Menschen. Evolutions-Versager, die alleine nicht durchsetzungs-, geschweige denn überlebensfähig wären). Nein, ungefähr fünf Tage vor dem Referatstermin setzt bei mir außerdem die „Ich beschäftige mich jetzt mehr als oberflächlich mit dem Thema, stelle fest, wie sehr ich es hasse und kriege zwei bis 15 Wutanfälle, die sich nur durch Alkohol, Zigaretten und Playstation-Geballere mindern lassen“-Phase ein. Was für meinen Vortragspartner bedeutet, dass ich sie, gerne auch mitten in der Nacht, mit wahnsinnig wütenden Whatsapp-Nachrichten abfucke.

Kennt ihr diese Szenen in irgendwelchen dramatischen Action-Filmen, wenn kurz bevor die außerirdische Bedrohung den letzten Rückzugspunkt der Menschheit erreicht, alle Zugänge geschlossen werden? Diese Tore, die mit einem lauten Knall zugehen und jeglichem feindlichen Feuer oder irgendwelchen Urzeitmonstern standhalten? Gut. Die außerirdische Bedrohung ist der Referatsstoff, die Menschheit mein Gehirn. Ich weigere mich, auch nur das kleinste Bisschen Information aufzunehmen, werde stattdessen immer wütender und trete bühenreif Dinge um, die zumeist auch noch eine Kettenreaktion der Zerstörung auslösen. Meistens endet das mit kaltem Kaffee auf meinem dunkelblauen Teppich.

Es ist nicht so, dass ich es nicht verstehen KANN. Wenn ich will, kann ich mir die absurdesten Zahlenkombinationen der Welt über Jahre hinweg merken. Wenn ich will, kann ich sämtliche random generierten WLAN-Schlüssel meiner ehemaligen Wohngelegenheiten aufzählen.  Ich will aber nicht.

Mittlerweile glaube ich, dass das „Brain Unlocked“-Schild erst dann wieder aufleuchtet, wenn eine angemessene Aufbereitung des vorzutragenden Themas zeitlich eigentlich gar nicht mehr möglich ist. Umso absurder eigentlich, dass es mir keinerlei Probleme bereitet, schon eine Woche vorher erste Designvorschläge für die PowerPoint-Präsentation auszuarbeiten. Womöglich schlummert tief in mir eine Künstlerseele, die nur darauf wartet, ihr hässliches Haupt aus den Tiefen meines feisten Leibes zu erheben.

Eine Ausnahme des beschriebenen Wutstufen-Ablaufes wäre vielleicht dann denkbar, wenn das Thema direkt meinem Leben entnommen ist respektive auf den Punkt genau persönliche Interessen von mir trifft. Da ich bisher allerdings noch kein Referat über Alkoholmissbrauch oder Aggressionsprobleme mit eklatant häufig auftretenden Tobsuchtsanfällen halten durfte, bleibt dies eine reine Hypothese.

Tofu, das Oblivion der Nahrungsmittelindustrie

Ich habe mir Tofu gekauft. Ein Satz, der ähnlich unheilschwanger und, jetzt weiß auch ich es besser, DUMM klingt wie „Hey, ich glaube ich gehe diesen nach einem brutalen Kettensägenmord klingenden Geräuschen nach“ oder „Wir sind hilflose, unbewaffnete Cheerleaderinnen. Warum teilen wir uns nicht auf und erkunden die gruselige Hütte im Wald alleine?“. Nach mehrminütigem fassungslosen Schweigen wird sich euch die Frage nach dem Warum stellen. Nun denn.

Ich dachte es wäre irgendwie cool und gesund und würde meine tierliebende Ader unterstreichen, wenn ich weniger Fleisch esse. Da ich momentan auf der „Ich nehme Kohlenhydrate nur noch in flüssiger Form zu mir“-Diät bin, ist das Nahrungsangebot als solches relativ beschränkt und weil Tofu außerdem den Cholesterinwert im Körper nicht erhöht, dachte ich irgendwie, es wäre eine gute Idee. Ich mariniere den Tofu also ausgiebig und selbstsicher. Ich brate ihn und freue mich richtiggehend auf diesen vermeintlichen Fleischersatzstoff. (An dieser Stelle muss eingeworfen werden:  NICHTS kann Fleisch ersetzen. Fleisch schmeckt wundervoll. Besonders blutig. Ich würde mein Erstgeborenes gegen ein Rinderfilet-Bündel des gleichen Gewichts eintauschen und es nicht eine Sekunde bereuen.) Ich richte den goldbraunen Tofu an Rucola-Salat mit Tomaten an, nehme einen Bissen und habe das Gefühl, mit meiner Zunge in einer Endlosschleife „The Elder Scrolls Teil 1 bis Fünfmillionen“ gefangen zu sein. Es ist widerlich. Nein, es ist grotesk.

Während ich also an meinem pseudoveganen Gutmenschentum würgend die 240 Euro Neben- und Energiekostenachzahlung überweise, fällt mir außerdem auf, dass ich aus unerfindlichen Gründen getrocknetes Blut an der Hand habe, und obwohl heute sogar mein eines Seminar ausgefallen ist, hasse ich diesen Tag.

Was ich außerdem hasse: Musikreviews schreiben. (Entschuldigt, das war der Gerhard Delling in mir) Wer diesbezüglich mehr erfahren möchte, klickt einfach auf untenstehendes Bild und liest den Artikel, den ich für Noisy aka die Musikseite von vice.com geschrieben habe.

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Nach Schmerzmittel/Hustensaft-Überdosis: unfertige Gedanken über das Schreiben.

Früher war alles mal einfacher. Und wenn ich früher meine, spreche ich nicht von dem Teil der Neunziger, als Torch und Mola Adebisi noch irgendeine popkulturelle Relevanz hatten. Ich spreche von dem Part meines Lebens, in dem ich tatsächlich noch hauptberuflich geschrieben habe. (Und nein. Damit meine ich nicht nur rap.de, tatsächlich war ich auch schon bei Institutionen täglich, die sogar eure Eltern lesen, aber vielleicht geht es euch auch einfach nichts an.) Da war eine leere Seite nichts, wovor man sich gefürchtet hat. Da hat man einfach angefangen zu tippen und Worte sind wie… Menstruationsblut aus einem rausgeflossen und irgendwie hatte man teilweise Unterleibskrämpfe deswegen, an sich wusste man aber: es ist etwas Natürliches. Nachdem ich mich bereits jetzt komplett in diese Scheiß-Metapher verstrickt habe, fange ich einfach nochmal neu an.

Ich glaube jeder kennt diese Zeitspanne, in der er weiß dieses und jenes jetzt erledigen zu müssen, aber er fühlt sich wie gelähmt und starrt lieber stundenlang vor sich hin, als tatsächlich anzufangen. Früher hatte ich das bei Dingen, auf die ich einfach absolut keine Lust hatte. Jetzt habe ich es bei allem. Wenn ich momentan versuche irgendetwas festzuhalten, und sei es nur ein popeliger Blogeintrag, den nur Leute lesen, weil sie wie Lichtjunkie-Fliegen haltlos von meinen komplett wahnsinnigen Überschriften angezogen werden, fühle ich mich wie DJ Bobo. DJ Bobo, der auf der Wiesn von einer Bierfass-Kutsche überrollt wurde, seitdem von den Knien abwärts Krüppel ist und deshalb nicht mehr Tanzen kann. Ich glaube, die Bierfass-Kutsche ist eine Allegorie auf meinen Kopf.

Jeder schreibt ein Buch und auch ich sollte es tun, denke ich mir. Nicht, weil ich gelangweilt bin. Nicht nur, weil jeder Geld brauchen kann und ich ganz besonders. Einfach, weil ich es könnte. Das ist keine Arroganz, das ist eine ganz realistische Einschätzung. Ich schaffe es problemlos, drei durchschnittlich dicke Bücher in der Woche zu lesen und wann immer ich was Neues im Schrank habe, tue ich das auch. Von behinderter Frauenlektüre bis hin zu hochintellektuellen Abhandlungen über das Leben von Galilei habe ich ungefähr ALLES und somit auch ein recht gutes Empfinden für Sprache und wie man mit ihr umgehen sollte. Auf meiner externen Festplatte befinden sich unzählige Textleichen, die ich irgendwann mal angefangen habe – in der Hoffnung, daraus würde mehr werden. Teilweise eine halbe, ab und an auch mal zehn Seiten Worddokumente liegen da rum und wurden seit Jahren nicht mehr fortgesetzt. Und ich sage mal ganz unbescheiden: jede einzelne fickt diesen ganzen Haufen „American Psycho“-Abklatschliteratur krass in den Arsch.

Ich setze mich also an meinen Laptop, habe ein komplettes Buch im Kopf, fange an zu tippen und dann kommt diese Bierfass-Kutsche und urplötzlich bin ich im Krankenhaus und jemand schenkt mir „Der Pferdeflüsterer“ in der Hoffnung, die Geschichte von dem Amputationsmädchen würde mich in meinem Lebenswillen irgendwie bestärken. Mit zitternder Unterlippe, aber doch voller Mut und starkem Blick in die Zukunft werde ich nicken. Der Besuch zieht erleichtert wieder ab und ich setze meine kaputten WeSC-Kopfhörer auf, schalte den iPod ein und höre DAS.